kuratiert von Eylül Fidan Akıncı
Während die ganze Welt zu einem neuen Gemeinschaftsgefühl zurückfindet oder danach sucht, stellen wir in der Tanzwelt uns die Frage, wie wir unsere Körper und Bewegungen sowie unseren Ausdruck auf gleichberechtigte Weise wieder miteinander verbinden können. Was bedeutet „Zusammengehörigkeit“ heute, insbesondere für unsere Zunft, die verschiedene Akteure, Bühnen und das Publikum umfasst? Wir laden Sie ein, über die Themen der Biennale – „Encounter, Solidarity, Sustainability“ – nachzudenken und zu diskutieren. Bei diesem Symposium werden wir eine Brücke zwischen Theorie und Praxis schlagen, indem wir bahnbrechende Künstler:innen und Forscher:innen aus unserem Metier zusammenbringen, um die heutigen Anliegen im Hinblick auf Tanz und Performance näher zu beleuchten:
1) Wie können wir gemeinsam weitermachen? Ausweitung des „Kanons“ und dekoloniale Begegnungen
2) Wie können wir zusammenarbeiten? Nachhaltige Kooperationen im Tanz
3) Wie können wir zusammenleben? Choreografien der nicht-menschlichen Solidarität
Nach den Präsentationen, Provokationen und Diskussionen von Dr. Sevi Bayraktar, Jee-Ae Lim, Ilse Ghekiere, Diana Thielen und Eiko Otake gipfeln die Panels in Gesprächen und Aktivierungen zwischen den Teilnehmer:innen und den Referentinnen. Den Abschluss des Symposiums bildet die partizipative Performance Choreographic Games von Laurent Pichaud und Rémy Heritier.
11:30-12:45 Uhr
PANEL 1
Sevi Bayraktar: Solidarität im Tanz: Konzept der Tradition im Tanz in Theorie und Praxis
Das Konzept der Tradition war von ausschlaggebender Bedeutung für die historische Entwicklung des Tanzes. Westliche Tanztraditionen werden in der Regel als universelle „hohe Kunst“ wahrgenommen, im Gegensatz zu den nicht-westlichen Tänzen, die als repräsentativ für ihre Kulturen gelten. Diese Zweiteilung dominiert nach wie vor unsere Tanzinstitutionen. In ihrem Vortrag befasst sich Dr. Sevi Bayraktar mit der Rolle nicht-westlicher Tanztraditionen in der Tanzausbildung in Deutschland. Wie kann die kulturelle Besonderheit des Tanzes Machtdynamiken aufdecken und Tänzer:innen dazu befähigen, von anderen Tänzer:innen und Tanzgemeinschaften zu lernen und sich im Einklang mit ihnen zu bewegen? Basierend auf ihren Studien zu Volkstanzstilen und den politischen Protesten in der Türkei erläutert Dr. Bayraktar, dass das Vermitteln verschiedener körperlicher Kenntnisse im Tanz ein soziales und politisches Engagement darstellt, um neue Formen der Solidarität zu schaffen.
Jee-Ae Lim: Grenzen überschreiten und Tradition neu definieren
Welche Auswirkungen hat es auf die Entwicklung des Tanzes und seine Geschichte, wenn wir verknüpfen, was nicht verknüpft werden kann? Wie sollen wir Beziehungen aufbauen, wenn sich Entwicklungen überschneiden und Grenzen nicht länger klar definiert sind? In ihrem Vortrag befasst sich Jee-Ae Lim mit dem diasporischen Körper und dem Tanzen als Berührungspunkt sowie einer neuen Form für das Verständnis der komplexen Beziehung zwischen Insidern und Outsidern, Zentrum und Peripherie, Lokalität und Fremdartigkeit, Tradition und Moderne, die alle miteinander verflochten sind. Jee-Ae Lim analysiert ihre Studie „Migration of Dance“ und fordert uns dazu auf, über den Tanz nachzudenken, an dem Körper, Orte, Zeiten, Sprachen und Geschichten beteiligt sind, und uns zu fragen, wie wir uns niederlassen, verweilen, nachbarschaftlich miteinander umgehen, unterstützen, zusammenschließen, gemeinsam voranschreiten und füreinander sorgen können.
14:00-15:15 Uhr
PANEL 2
Ilse Ghekiere: #Wetoo: Worüber Tänzer:innen beim Thema Sexismus sprechen
In einem vieldiskutierten Artikel aus dem Jahr 2017 schrieb Ilse Ghekiere über Sexismus in der Tanzbranche Belgiens und über den Beginn einer Bewegung namens ENGAGEMENT ARTS. In diesem Vortrag geht Ilse Ghekiere auf ihre Erkenntnisse und die Frage der Ethik in unserem Bereich ein: Wie reagieren wir, wenn wir sexuelle Belästigung oder Machtmissbrauch im Tanz erleben? Ghekiere wird verschiedene Vorgehensweisen und Maßnahmen erörtern, die diese Probleme sowohl auf individueller als auch auf struktureller Ebene behandeln.
Diana Thielen: Wie manifestiert sich das Politische im Tanz?
In Ihrem Vortrag befasst Diana Thielen sich mit dem Thema, welchen Einfluss die eigene Gender-Identität auf das Tanzen sowie auf Bewegungen hat. Mit einem interdisziplinären, queer-feministischen Ansatz sowie anhand praktischer Beispiele zeigt Diana Thielen auf, dass Körper das Ergebnis eines Diskurses sind, der von gesellschaftlichen Konventionen, Machtverhältnissen und Auffassungen geprägt ist. Diana Thielen vertritt die Ansicht, dass reflektierende Methoden uns zu Orten des Widerstands und des Empowerments führen können.
16:15-17:30 Uhr
PANEL 3
Eiko Otake: Deliziöse Bewegung: die Zeit ist nicht gleichmäßig, der Raum ist nicht leer
„Bewegen, um den Körper als Teil der Umgebung und die Umgebung als einen Körper wahrzunehmen – atmen und bewegen.“ In ihrem Videovortrag zeigt Eiko Otake, wie sie als aktive Künstlerin unterrichtet und wie ihr Unterrichten ihr künstlerisches Schaffen beeinflusst hat. Seit 2005 unterrichtet sie ihren semesterlangen Kurs „Delicious Movement: Time is not Even Space is not Empty“ an drei Liberal Arts Colleges. Sie unterrichtet nicht „Tanz“ oder „Choreographie“, sondern vielmehr „Selbst-Kuration“ und „kollektives Lernen“. Das Curriculum von Eiko Otake kombiniert Studien zu Geschichte, nuklearen Vorfällen und Umwelt mit dem Studium der Bewegung. Eiko Otake hinterfragt, wie die Tatsache, dass eine Person zu einem „Mover“ – einem Bewegenden – wird, ihr Verständnis der Welt und die Art und Weise beeinflusst, wie sie ihre Gedanken zum Ausdruck bringt.
20:00-21:30 Uhr
PERFORMANCE
Choreographic Games
Laurent Pichaud und Rémy Héritier, mit Anne Juren
Die Performance „Choreographic Games“ (Choreographische Spiele) verortet sich direkt im Zentrum der Diskussionen über den „zeitgenössischen Tanz“, erforscht spielerisch das Vokabular und hinterfragt die Grammatik, die ihm zugrunde liegt. Bestehende Erzählungen über Kunst und Tanz, antizipierte Muster, Stile und Ästhetiken werden mittels eines Tanz- oder Textausschnitts in Frage gestellt. Dazu hat eine Gruppe von „Expert:innen“ um Rémy Héritier und Laurent Pichaud Anne Juren zu einem Abend choreografischer Spiele eingeladen. Dabei geht es weniger darum, „den Nagel auf den Kopf zu treffen“, als vielmehr Erinnerungsprozesse und die Ergebnisse des (nach innen wie nach außen gerichteten) Diskurses offenzulegen, denn wir alle sind dabei, uns neu zu orientieren, uns neu zu verorten und uns mit dem in Beziehung zu setzen, was wir sehen und/oder bereits wissen.
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